#Viermonatskalender #Rüschenhalstuch #Panadefertigmischung

Seltsame Vorfälle sieben

DreiWorte von Manisha Crump-Otten: #Viermonatskalender #Rüschenhalstuch #Panadefertigmischung

Professor Hannibal E. Movere wurde immer dann hinzugerufen, wenn die Möglichkeiten des Allmöglichen völlig erschöpft danieder lagen. Wenn eine scheinbar belanglose Leere sich nur durch das definierte, was sie einmal umgab.
Damals oder vorher oder jemals.
Er wurde gebraucht, wenn die Phantasie fehlte, einen Grund, die Ursache, den Täter, das Opfer und ein Motiv zu erkennen.

Der Professor betrat den jeweiligen Ort, zu dem er gerufen wurde und sah das Eigengrau der Dinge und damit das, was für alle anderen im Dunkeln verborgen lag. Niemand verstand, wie ihm das gelingen konnte.
Dabei war es ganz leicht.

Eigentlich war der Professor ein Literat und Autor. Die perfekte Synergie an einem verborgenen Tatort. Er wusste um die Kunst und fand die Geschichten dahinter. Er entdeckte den Roten Faden, die mögliche Plotidee eines Tatorts.
Und darum war ihm auf den ersten Blick klar, in einem leeren, modrigen Raum ist es von Bedeutung, wenn an der schiefverschraubten, staubigen Garderobe im Eingangsbereich ein frischgebügeltes, fliederfarbenes Rüschenhalstuch am Haken hing.

»Wenn ein Gewehr an der Wand hängt, muss es auch schießen«, sagte ihm seine Lektorin einmal.
Ein Satz, den er nie vergessen wird. Denn dieser Satz erklärte ihm die Magie eines spannend geschriebenen Buchs.
Und ja, wenn der Autor ein Gewehr oder ein Rüschenhalstuch in seiner Geschichte erwähnt und benennt und beschreibt, dann muss es für die Handlung wichtig sein. Dann ist es wichtig, gesehen zu werden. Wenn es das nicht wäre, wäre es eine Enttäuschung.

Der Professor machte seinen Job. Er machte ihn gut.
Er sah den Viermonatskalender an der Wand. Die abgebildeten vier Monate waren lange vergangen. Der zuletzt gekennzeichnete Tag blieb in der Mitte unverschoben. Lange vor dem vermuteten Verschwinden der fehlenden Person. Der letzte Tag des vierten Monats aber, es war weder Sonntag noch ein Tag zum Feiern, wurde nachträglich oder in weiser Voraussicht rotumrandet.
War das der letzte Tag?

Die Gleichgültigkeit eines banalen Tages schied natürlich allein durch die rote Umrandung aus. Aber wurde der Tag mit Vorfreude oder mit Schrecken erwartet?
Für Freude fehlte es dem Ort an Vorbereitung und Detail. Der Staub war jahrealt. Die Fenster bestanden aus trockenem Regenkalk. Auf dem Tisch kein Kuchen, kein Konfekt, nichtmal ein bröselnder Keks. Eine Kerze brannte nie.
Im Kühlschrank schimmelten ein Gurkenglas und eine Tube Senf. Auch die Vorratsschränke waren ungenutzt, die Kreise fehlender Gläser und Konserven waren weniger staubblass, aber immer noch blass. Und die abgelaufene Packung Panadefertigmischung machte nun wirklich kein Mahl für einen freudig erwarteten Tag.
Was also übrig blieb, war der Schrecken.

Für den Literat und Autor lag die Geschichte klar und hell im Eigengrau der zurückgebliebenen Dinge. Der Grund, die Ursache, der Täter, das Opfer und selbst das Motiv.
Er setzte sich an seinen Laptop und tat was er tun musste.
Er schrieb.

2 Antworten

  1. Manisha Crump-Otten

    „Eigengrau“ wird meine neue Lieblingsfarbe!
    Einfach nur herrlich, liebe Mea! Danke dafür!

  2. Matthias Hecht

    Herrlich! Großes Kino. Das ist ein Plot für eine Serie! „Movere und das Eigengrau“
    Ich will jetzt sofort lesen, sehen und hören wie dieser Professor seine Fälle löst. Die nur ER lösen kann, weil er DAS sieht, was allen anderen verborgen bleibt!

Schreibe einen Kommentar zu Matthias Hecht Antworten abbrechen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

* Wenn Du hier kommentierst, übermittelst Du mir Deinen Namen und E-Mailadresse. Diese werden irgendwie gespeichert. Ich werde sie nicht verwenden, aber was die Seite damit macht, weiß ich nicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.