#Hund #Katze #Mous

Seltsame Vorfälle eins

DreiWorte von Rolf Dennemann: #Hund #Katze #Mous

Was niemand ahnte, wenn er die Wahl zwischen Edgar Wallace oder Edgar Allen Poe gehabt hätte, hätte er sich für den Raben entschieden.
Weil es niemand ahnte, lag mal wieder ein Hauch von Rost und Eisen in der Luft, als Mous Marlony den Tatort betrat.

»Das müssen Sie sich ansehen!«, lautete die Begrüßung. Jedes.Verfluchte.Mal.
Gott, wie er seinen Job hasste, wenn er diesen Satz hörte. Und er wollte antworten, Scheiße verdammt, wir sind nicht in einem Fernsehkrimi und ich bin nicht der abgehalfterte, drogensüchtige Hauptdarsteller. Red anständig mit mir, sag was los ist, ganze Sätze, alle Fakten, komm zum Punkt, du Flachpfeife.

Aber Mous Marlony spielte mit, schon seit sehr vielen Jahren. Und so betrat er keinen Tatort mehr, sondern seine Bühne. Der Kragen seines Mantels hochgeschlagen, ein Hut tief in die Stirn gezogen, die Mundwinkel starr und steif Richtung Abgrund. Willkommen im Krimi Noir. Vorhang auf! 1. Akt. Er performte den vom Leben geprügelten harten Hund. Kommissar Mous Marlony.

»Was haben wir hier?«, fragte er. Rauchig und gelangweilt, wie es seine Rolle von ihm verlangte und obwohl er mit dem ersten Blick auf alles sah, was es zu sehen gab.
Neben ihm tanzte kein Statist, eher die vorgeschriebene Nebenrolle, der muntere Sidekick, ein kleiner Mensch mit hektischen Flecken in schlecht sitzender Uniform.
»Die Leiche ist männlich, circa 50 Jahre alt. Identität unbekannt, wird aber gerade geklärt, Boss.«
»Todesursache?«, fragte Mous Marlony und blickte auf die Eisenstange, die aus Brust und Rücken der Leiche ragte. Rostroter Stahl tropfte an beiden Enden. Ja, da kam er her, der Hauch von Rost und Eisen. Mous klappte den Mantelkragen höher, seine Hände vergrub er in den Taschen, um das Zittern eines Entzuges zu verbergen. So verlangte es das Drehbuch.
Die Kulisse trübte sich in Sepia, Musik vernebelte das Gerede, Stimmen wurden zu braunrotem Rauschen, der Blick des Kommissars verharrte gedankenschwanger auf der Leiche.
Ein Telefon schepperte ihn zurück ins Geschehen. Jemand anderes nahm ab. Für die Szene brauchten wir nur das Geräusch, nicht den Anruf. Niemand erfährt jemals wer an der anderen Leitung war oder was er wollte. Ein verwählter Augenblick.
»Zeugen?«, fragte Marlony als hätte er bei der Antwort vorher zugehört. Als wüsste er die Antwort nicht selbst.
»Nein, nicht wirklich. Nur die Katze«
Natürlich, die Katze, dachte Marlony, immer wieder gut für den immer gleichen tragischen Witz. Sie war immer da, diese Katze im Krimi Noir. Sie war schwarz wie die Nacht oder weiß wie die Unschuld und sie lag auf einer Chaiselongue oder einem Kissen, Hauptsache rot wie die Sünde des Moments. Die Katze leckte ihre Beine oder ihren Schritt. Marlony suchte die Katze, es war ein Reflex, denn er liebte Katzen.

Und aus diesem Reflex wurde ein seltsamer Vorfall.
Plötzlich kapierte er. Er war hier falsch. Das ist nicht das, was er sich wünschte, was er wollte, was er brauchte, was er gewählt hätte. Hätte er die Wahl gehabt und hätte er nicht falsch gewählt.
Plötzlich lag der tote Rabe vor ihm.
Nimmermehr, dachte er.
Er zog den Hut, die Hände aus den Taschen, die Mundwinkel zu einem Lächeln.
Er schrottete das komplette Drehbuch mit nur einer Verbeugung.
Abgang.

Was niemand ahnte, als er die Wahl zwischen Edgar Wallace und Edgar Allen Poe gehabt hatte, wählte er den Raben und trug ihn all die Jahre als Requisit mit sich herum.

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